Trainingsprinzipien im Reitsport?


Eine Online-Umfrage über das Ausüben reitsportspezifischen Trainings ohne Pferd

Im Sport dient jede einzelne Trainingseinheit als Mittel zur Leistungssteigerung. Obwohl jede Sportart ihr eigenes Anforderungsprofil besitzt, halten sich die meisten Athleten an evidenzbasierten Trainingsprinzipien. Nach vielen Jahren aktiven Praktizierens der Sportarten Tennis und Floorball, sowie der sportphysiotherapeutischen Betreuung eines Floorball-Teams in der 2. Bundesliga, ist der Ablauf einer Trainingseinheit bei mir in Fleisch und Blut eingebrannt: Aufwärmen, Techniktraining, wettkampfnahes Spieltraining, Abwärmen. Gespickt mit Cardio- und Krafteinheiten. Mittlerweile reite ich seit 20 Jahren und noch nie hat mir ein Trainer gesagt, dass ich mich vor dem Reiten aufwärmen oder spezielle Übungen ausführen soll (mit einer Ausnahme).

Während meines Studiums der Humanphysiotherapie an der Fachhochschule Kiel wollte ich wissen, ob es nur mir so geht oder auch anderen Reitern in Deutschland. Wie trainieren Reiter, um ihre reitsportspezifischen Fähigkeiten zu verbessern? Führen sie ein zusätzliches Training ohne Pferd aus? Wie sieht eine Trainingseinheit mit und ohne Pferd aus? Mit Hilfe eines Online-Fragebogens erreichte ich 5.000 Reiter in Deutschland, konnte aufgrund fehlender finanzieller Mittel aber nur 200 beantwortete Fragebögen kostenfrei auswerten.

 

Nachfolgend seht ihr in der rechten Spalte die Ergebnisse als Diagramme. Links daneben erhaltet ihr einen kleinen Einblick in die Thematik der Trainingslehre aus sportwissenschaftlicher Sicht und der Bezug zur Reiterei.


Training und sportliche Leistung  

 

Als Training wird ein planmäßiger, komplexer Prozess bezeichnet, mit dem Ziel der individuellen Leistungsoptimierung durch die Entwicklung und Förderung sportartspezifischer Fähigkeiten. Ergänzend sind die Ziele des Erhalts und der Wiederherstellung der sportlichen Leistungsfähigkeit zu nennen, abhängig von dem Gesundheitsstatus des jeweiligen Athleten. Die sportliche Leistung beschreibt das Ergebnis einer sportlichen Handlung, wobei dieses Ergebnis bestimmte Kriterien, individuell oder durch Normen festgelegt, zu erfüllen hat.

 

Was bedeutet dies für uns als Reiter? Zunächst müssten wir definieren was beim Reiten als "sportliche Leistung" gilt und welche "sportartspezifischen Fähigkeiten" ein Reiter aufweisen sollte. Die sportliche Leistung ist zum Teil abhängig von unserer Art, wie wir den Reitsport ausüben. Welches Ziel haben wir uns und dem Zusammensein mit unserem Pferd gesetzt? Sind wir Turnierreiter, so greifen z.B. Kriterien aus dem Bewertungskatalog einer Dressurprüfung. Reiten wir keine Wettkämpfe aber trotzdem ambitioniert in unserer Freizeit und haben einen übergeordneten Wunsch? Oder reiten wir gar nicht, möchten aber in der Freiarbeit ein spezielles Ziel, bspw. feinste Kommunikation durch minimale Körpersignale erreichen?

Der Ausbau von "sportartspezifischen Fähigkeiten" ist zwar kein Garant, unser gestecktes Ziel zu erreichen, es erleichtert aber unseren Weg dorthin - Und dieser Weg ist ja bekanntlich das Ziel.

Voraussetzungen für sportliche Leistung

 

Das Ergebnis einer sportlichen Leistung unterliegt exogenen und endogenen Voraussetzungen. Zu den endogenen Einflussfaktoren zählen die trainierbaren Kompetenzen im sensomotorisch-koordinativen und kognitiven Bereich, sowie konditionelle Fähigkeiten. In besonderem Maße leistungsbestimmend ist zudem die (psychische) Leistungsbereitschaft des Sportlers. Diese beeinflusst unmittelbar jede bewusste Handlung und ist abhängig von der Persönlichkeit des Athleten, seinen Emotionen und seiner Motivation. 

Exogene Einflüsse sind von uns nur bedingt zu beeinflussen. Jeder Reiter ohne Reithalle oder Allwetterreitplatz kennt das alljährliche Winterproblem von rutschigen Böden. Mancher Turnierreiter hofft auf unauffällige Deko, nichtrauschende Lautsprecher, o.ä.

Ausgeprägte Sensomotorisch-koordinative Fähigkeiten verbessern die Technik eines Sportlers. Zu den konditionellen Fähigkeiten gehören Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. Weitergehend gehört auch die Beweglichkeit zu den endogenen Leistungsfaktoren. In welchem Verhältnis die jeweiligen Fähigkeiten für uns relevant sind, hängt auch von der ausgeübten Disziplin ab: Ein Vielseitigkeits- oder Distanzreiter benötigt ein anderes Verhältnis als ein "einfacher" Dressurreiter.

Trainingsprinzipien

 

Optimale Trainingsreize verursachen durch überschwellige Beanspruchung eine Störung der Homöostase im Organismus und haben ein Überwiegen der katabolen (abbauenden) Stoffwechselprozesse zur Folge. Während der Regeneration kommt es durch anabole (aufbauende) Prozesse zu einer Kompensation des trainingsbedingten Einbruchs und durch diese Adaptation zu einer verbesserten Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Bei  Ausbleiben erneuter Trainingsreize ist dieser Effekt rückläufig. Um das Ziel der Leistungssteigerung zu erreichen, muss der Körper daher planmäßig Trainingsreizen ausgesetzt werden. Als Orientierung gelten die Prinzipien der Trainingswissenschaft: Progressive Belastugssteigerung, Variation, Wiederholung und Kontinuität, Periodisierung und Zyklisierung und Spezialisierung.

 

Jeder Reiter bringt andere physische Voraussetzung mit sich. Je nach Alltagsbelastung führen u.U. auch andere Sportarten zu Dysbalancen in unserem Körper. Leider reicht es nicht aus, nur einmal in der Woche etwas für seinen Körper zu tun, um diese Defizite effektiv zu beseitigen.

Aufwärmen innerhalb einer Trainingseinheit

 

Die Erwärmung soll den Körper durch Vorbelastung auf die nachfolgenden sportartspezifischen Beanspruchungen vorbereiten und optimale Bedingungen in psycho-physischer und koordinativer Hinsicht für das Training schaffen. Es wird in einen allgemeinen und einen spezifischen Teil untergliedert.

Im allgemeinen Teil des Aufwärmens wird durch Ausführen von Ganzkörperbewegungen die Intensität langsam und kontinuierlich gesteigert. Der Körper wird von einem relativen Ruhezustand auf Leistungsbereitschaft umgestellt und seine funktionellen Möglichkeiten durch Anstieg der Körperkerntemperatur auf ca. 39° C erhöht.

Im Anschluss an die allgemeine Aufwärmphase folgt das sportartspezifische Aufwärmen. Es werden diejenigen Muskelgruppen und Gelenke vermehrt angesprochen und vorbereitet, welche im direkten Zusammenhang mit den sportarttypischen Bewegungsmustern und Belastungen stehen. Dementsprechend beinhaltet die spezifische Phase der Erwärmung u.a. koordinative Elemente ohne und falls vorhanden auch mit dem Sportgerät. Um die Reaktions- und Kontraktionsbereitschaft der leistungsbestimmenden Muskulatur zu erhöhen, werden weitere tonisierende Übungen einbezogen. Als psychische Einstimmung sind individuelle Rituale geeignet.

 

Positive Effekte des Aufwärmens:

  • Optimale Nährstoffversorgung von Muskulatur und passiven Gelenkstrukturen
  • Schneller Abtransport von Stoffwechselabfallprodukten
  • Verbesserte Belastbarkeit myofaszialer Strukturen
  • Steigerung der Reaktionszeiten
  • Reduzierung des Energiebedarf und verminderte Ermüdung
  • Druckentlastung der Gelenke
  • Verbesserte Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Koordination und Präzision motorischer Bewegungen

Ein Warm-up stimmt den Sportler auf die nachfolgende Beanspruchung ein und sorgt zeitgleich für eine Optimierung der Körperfunktionen. Anders gesagt: die nachfolgende Aktivität wird einfacher, weil wir die Ausgangssituation verbessert haben. Ist das nicht toll? Wir können das Reiten durch ein paar gezielte Aufwärm- und Konzentrationsübungen uns selbst, aber vor allem auch unserem Pferd einfacher und dadurch angenehmer gestalten.

 Umfrageergebnisse



Die Stichprobe ist durch die geringe Größe der Teilnehmer (208 Personen) und auch aufgrund der Umsetzung der gesamten Umfrage (kein Goldstandard) sicherlich nicht repräsentativ für gesamt Deutschland. Dennoch möchte ich eine Aussage über die Trainingsgestaltung der Gruppe der Teilnehmer treffen:

Für mich wird deutlich, dass die Trainingsumsetzung der Teilnehmer mangelhaft strukturiert ist. Die positiven Effekte des aktiven Aufwärmens oder eines Zusatztrainings, um die reiterlichen Fähigkeiten und somit auch die Leistung im sportlichen Alltag oder Wettkampf zu verbessern, bleiben aus.

Um eine genauere Beurteilung der Trainingsgestaltung von Reitern in Deutschland erstellen zu können, bedarf es allerdings einer größeren Stichprobe, eines längeren Untersuchungszeitraums und einer deutlichen Überarbeitung des Fragebogens.

 

Während ich mich mit diesem Thema beschäftigte, stellte sich mir die Frage, welche Priorität ein spezifisches Zusatztraining sowie das Aufwärmen bei den Reitern an sich, aber auch bei den Trainern und in der Trainerausbildung innehat.

Die positiven Effekte sprechen meiner Meinung nach deutlich für sich und ich habe mir angewöhnt mich zumindest vor dem Reiten ordentlich aufzuwärmen.


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  • reitsportspezifische motorische Tests,
  • Anleitungen für Aufwärmübungen und
  • einen individuellen Trainingsplan.

Mir liegt sehr am Herzen, dass meine Kunden meine Arbeitsschritte und die funktionellen Zusammenhänge ihres eigenen Körpers verstehen. Eine individuelle Betreuung ist mir sehr wichtig, für Fragen stehe ich gerne zur Seite.

 


Quellen:

Berekoven, L.; Eckert, W.; Ellenrieder, P. (1999): Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung. 8. Auflage. Wiesbaden: Gabler-Verlag.

 

Fn aktuell, 29. April 2015, Offizielle Pressemitteilung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V.: Zahlen, Daten, Fakten 2015. < http://www.pferd-aktuell.de/shop/index.php/cat/c106_Verband.html#22600>.  2015-06-06.

 

Friedrich, W. (2014): Optimales Trainerwissen: Sporttheorie und Sportpraxis für Trainer und Übungsleiter. Balingen: Spitta Verlag GmbH & Co. KG.

 

Hegner, J. (2009): Training fundiert erklärt: Handbuch der Trainingslehre. 5. überarbeitete Auflage. Herzogenbuchsee: Ingold Verlag.

 

Minow, H. (2014): Die Trainingseinheit. In: Schnabel, G.; Harre, H.; Krug, J. (Hrsg.): Trainingslehre. Trainingswissenschaft. Leistung, Training, Wettkampf. 3. aktualisierte Auflage. Aachen: Meyer & Meyer Verlag. S. 418-421.

 

Schnabel, G. (2014): Stellung und Funktion in der Sportwissenschaft; Sportliche Leistung, Leistungsfähigkeit – Wesen und Struktur. In: Schnabel, G.; Harre, H.; Krug, J. (Hrsg.): Trainingslehre. Trainingswissenschaft. Leistung, Training, Wettkampf. 3. aktualisierte Auflage. Aachen: Meyer & Meyer Verlag. S.19-25; S. 34-56.

 

von der Lippe, P.; Kladroba, A. (2002): Repräsentativität von Stichproben. In: Marketing. 2002, ZFP 24, S. 139–145.

Termine nach Absprache

Mobil: 0162 3932033

E-mail: b.jensen@osteo-equitation.de

Birte Jensen

Osteopathische Pferdetherapeutin nach Welter-Böller

Humanphysiotherapeutin B.Sc.

Member of the Knighthood of the Academic Art of Riding